(Hyper-)Texte
Hyperlinks
Im Vergleich zu traditionellen Texten stellt sich in Hypertexten die Frage, welchen Einfluss Hyperlinks auf die Lernleistung besitzen. In der E-Learning Forschung existieren unterschiedliche Annahmen über die Auswirkungen dieser elektronischen Querverweise.
Angenommene Effekte
Befürworter dieser Verzweigungen verweisen unter anderem auf eine günstige Abbildung des netzwerkähnlichen Lernmaterials durch mannigfaltige Verknüpfungen mittels Hyperlinks. Durch Hyperlinks nonlinear vernetzte Webseiten böten besonders Experten ausreichende Explorationsmöglichkeiten (Lawless und Brown, 1997). Zudem würden diese elektronischen Verweise den Aufbau eines tief greifenden und flexibel einsetzbaren Verständnisses fördern und den Schemaerwerb begünstigen (Jonassen, 1992). Kritiker verweisen hingegen auf die mögliche Überforderung der Lernenden durch die nicht-lineare Struktur dieser Texte. Da der Benutzer bei jedem Link entscheiden müsse, ob er diesem folgen soll oder nicht, erhöhe sich die kognitive Belastung und reduziere damit die kognitiven Ressourcen für den Textinhalt (DeStefano und LeFevre, 2007). Außerdem könnte der Einsatz von zahlreichen Hyperlinks zur Desorientierung von Lernenden führen (Stichwort: lost in hyperspace; Calisir, Eryazici und Lehto, 2008). Hierdurch und durch die erhöhte kognitive Belastung könnten elektronische Verzweigungen den Aufbau von Schemata bzw. Situationsmodellen beeinträchtigen (DeStefano und LeFevre, 2007; Kintsch, 1988). Das Textverständnis würde demnach durch den Einsatz von Hyperlinks behindert. Neurowissenschaftliche Modelle postulieren zudem, dass menschliche Gehirne in der Natur nach hierarchischen Mustern suchen und diese abbilden (Hawkins, 2006). Texte sollten demnach nicht netzwerkähnlich, sondern hierarchisch-sequentiell dargeboten werden.
Empirische Befundlage und Gestaltungsempfehlungen
Mehrheitlich stützt die empirische Befundlage die Meinung der Kritiker von elektronischen Querverweisen (siehe hierzu die Überblicksarbeit mit 38 berücksichtigten Experimenten von DeStefano und LeFevre, 2007). Insbesondere für Novizen und Lerner mit geringer Arbeitsgedächtnisspanne bietet sich der Verzicht von zahlreichen Hyperlinks und die Bereitstellung einer hierarchisch-sequentiellen Struktur (vgl. Abbildung 14) des Lerntextes an (z.B. Amadieu, Tricot und Mariné, 2009). Zudem sollten Lernende die Möglichkeit erhalten, von jeder beliebigen Unterseite mit nur einem Mausklick zur Startseite zurückzukehren (Brusilovsky, 2003; Chen, S. Y. et al., 2006). Beschriftete Hyperlinks (der Querverweis enthält eine Beschriftung oder Beschreibung der Seite, auf die der Hyperlink verweist) können die Navigations- und Lernleistungen von Benutzern verbessern (DeStefano und LeFevre, 2007). Gleiches gilt für Linkvorschläge, die angeben, welcher der verfügbaren Hyperlinks auf der Webseite verfolgt werden sollte (z.B. Madrid, Van Oostendorp und Melguizo, 2009). Navigationshilfen wie etwa graphische Übersichten des Gesamttextes wirken sich nur dann lernförderlich aus, wenn diese nicht zu komplex gestaltet sind. Andernfalls beanspruchen diese vermeintlichen Hilfen zusätzliche kognitive Ressourcen des Lernenden und können sich dadurch lernhinderlich auswirken (DeStefano und LeFevre, 2007). Für Personen mit hohem Vorwissen konnte meist weder ein Vor- noch ein Nachteil sowohl durch hierarchisch-sequentielle Strukturen als auch durch Hyperlinks nachgewiesen werden. Möglicherweise haben hier methodische Probleme wie etwa Deckeneffekte eine Rolle gespielt, da Experten häufig unter allen Versuchsbedingen sehr gute Lernleistungen erzielen (DeStefano und LeFevre, 2007). Ein Deckeneffekt beschreibt hingegen den Umstand, dass ein Test oder Fragebogen bei besonders hohen Punktewerten die Fähigkeit verliert, Unterschiede zwischen einzelnen Personen aufzudecken. Problematisch an den bisherigen Untersuchungen ist auch die unzureichende Berücksichtigung motivationaler Aspekte und des Lernerinteresses (DeStefano und LeFevre, 2007).