Problemlöseaufgaben
Verwendung ausgearbeiteter Lösungsbeispiele
Moderierende Einflüsse
Trotz der mannigfaltigen stützenden Belege für die Lernförderlichkeit von ausgearbeiteten Lösungsbeispielen wird darauf hingewiesen, dass diese die Lernleistung nur dann positiv beeinflussen, wenn folgende Gestaltungsempfehlungen beachtet werden, die den Effekt moderieren (Renkl, 2005):
- Förderung von selbstständig erarbeiteten Erklärungen: Diese zentrale Empfehlung besagt, dass Selbsterklärungsaktivitäten der Lernenden bei der Bearbeitung ausgearbeiteter Lösungsbeispiele gefördert werden sollten. Selbsterklärungsaktivitäten beinhalten die Identifikation von zugrundeliegenden Prinzipien (z.B. im hier aufgeführten Beispiel zum Thema Wahrscheinlichkeiten die Anwendung der Multiplikations- und Additionsregel) und Subzielen (z.B. zunächst die Einzelwahrscheinlichkeiten berechnen). Des Weiteren muss der Lernende Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen Problemlöseaufgaben erkennen (z.B. von oberflächlichen Merkmalen verschiedener Aufgaben abstrahieren) und den nächsten Lösungsschritt antizipieren (vorwegnehmen). Da den meisten Lernern derartige Selbsterklärungsaktivitäten schwer fallen (Renkl, 2005), sollten diese durch Trainingsmaßnahmen eingeübt sowie durch Instruktionshinweise (z.B. durch Verweis auf das zugrundeliegende Prinzip, welches zur Beantwortung der Aufgabe angewendet werden kann) gefördert werden (siehe z.B. Hilbert und Renkl, 2009).
- Bereitstellung gut gestalteter Erklärungen: Zur weiteren Unterstützung der Wissenskonstruktion durch Selbsterklärungsaktivitäten sollten Erklärungen auf die zugrundeliegenden Konzepte und Prinzipien zur Lösung der Aufgabe verweisen (Wittwer und Renkl, 2008) sowie kurz und prägnant formuliert werden. Außerdem sind Erklärungen dem Lernenden nur bei Bedarf zu präsentieren (vgl. adaptive Lernumgebungen), beispielsweise wenn dieser einen Fehler begeht. Bei den angebotenen Erklärungen ist zudem darauf zu achten, dass diese die Selbsterklärungsaktivitäten des Lernenden nicht ersetzen (Wittwer und Renkl, 2008) und dadurch den Lernprozess beeinträchtigen.
- Adäquate Gestaltung der Lösungsbeispiele: Weitere Empfehlungen betreffen die Gestaltung der Lösungsbeispiele, um selbständig erarbeitete Erklärungen zu fördern. Dies
kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden:
- Prinzip der Integrationserleichterung (easy-mapping guideline): Bei Verwendung multipler Abbildungen in ausgearbeiteten Lösungsbeispielen nimmt die Integration dieser Repräsentationen kognitive Ressourcen in Anspruch. Durch Gestaltungsmaßnahmen sollte dieser kognitive Integrationsprozess für die Lernenden erleichtert werden. Dies kann beispielsweise durch Ausnutzung des Effekts der geteilten Aufmerksamkeit, des Signalisierungsprinzips oder des Modalitätseffekts erfolgen.
- Prinzip der Betonung von Strukturmerkmalen (structure-emphasizing guideline): Nach diesem Prinzip sollten gemeinsame Strukturmerkmale anstelle irrelevanter Oberflächenmerkmale (z.B. der cover story) zwischen unterschiedlichen Lösungsbeispielen betont werden (vgl. Variabilitätseffekt). Um hierdurch einen lernförderlichen Effekt zu erzielen, sind Hinweise hinzuzufügen, die zum Vergleich verschiedener Lösungsbeispiele im Hinblick auf deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten anregen (Scheiter, Gerjets und Schuh, 2003).
- Prinzip des Aufbaus von bedeutungsvollen Lösungsschritten (meaningful building-blocks guideline): Werden Lernende mit neuen Problemaufgaben konfrontiert, so können sie diese zunächst nicht mit bereits bekannten Ansätzen lösen. Stattdessen wird ein modifizierter Lösungsansatz benötigt. Dieser kann jedoch häufig durch das neuartige Aneinanderfügen bereits bekannter Lösungsschritte generiert werden, um die verschiedenen Subziele zu erreichen (z.B. Berechnung der Einzelwahrscheinlichkeiten im hier aufgeführten Beispiel). Damit der Lernende diese kognitive Aufgabe meistert, können einzelne Subziele zum Beispiel durch visuelle Isolierung, Beschriftungen oder Schritt-für-Schritt Darbietungen hervorgehoben werden (Renkl, 2005).