Problemlöseaufgaben
Benutzung zielfreier Problemlöseaufgaben
Definition: Effekt der Zielfreiheit
Eine Möglichkeit zur Optimierung von Problemlöseaufgaben ist in der CLT als Effekt der Zielfreiheit im Englischen auch als goal-free effect, no-goal effect oder reduced goal-specificity effect bezeichnet (Sweller et al., 1998) bekannt geworden. Nach diesem Effekt führen zielfreie oder zielunspezifische Problemlöseaufgaben zu besseren Lernleistungen als Aufgaben mit einem vorgegebenen, spezifischen Ziel (Sweller, 2004).
Erklärungsansätze
Zwei Erklärungsansätze finden sich für den aufgeführten Effekt:
- Reduktion des extrinsischen Cognitive Load: In der CLT wird der Effekt mit der lernerirrelevanten, kognitiven Überlastung begründet, die sich aufgrund der Berücksichtigung des aktuellen Problemzustandes, des Zielzustandes und der Differenz zwischen diesen beiden Zuständen ergeben kann. Im Gegensatz dazu reduzieren zielfreie oder zielunspezifische Problemlöseaufgaben den extrinsischen CL, da hier vom Lernenden nur der Ausgangszustand berücksichtigt werden muss. Folglich stehen mehr kognitive Ressourcen für Erwerb und Automatisierung von Schemata zur Verfügung (Sweller et al., 1998).
- Verwendung unterschiedlicher Strategien: Ein weiterer Erklärungsansatz hebt die unterschiedlichen Strategien der Lernenden bei zielfreien (bzw. zielunspezifischen) Problemlöseaufgaben im Vergleich zu Aufgaben mit einem spezifischen Ziel hervor (z.B. Wirth, Künsting und Leutner, 2009). Lerner verwenden bei spezifischer Zielvorgabe eine Mittel-Zweck-Analyse. Bei dieser werden Wege gesucht, den aktuellen Problemzustand in den Zielzustand zu überführen oder zumindest die Distanz zwischen Problem- und Zielzustand zu verringern. Diesen Ansatz kann man bei zielunspezifischen oder zielfreien Aufgaben nicht verfolgen. Stattdessen erzeugen Lerner dort eine Struktur des Problems auf Basis der vorangegangen Schritte und nutzen diese Struktur, um Hypothesen über mögliche Schritte zu generieren und zu überprüfen. Dieses Vorgehen kann auch als Lernstrategie betrachtet werden (Wirth et al., 2009). Während Lernen bei Mittel-Zweck-Analysen wenn überhaupt nur beiläufig auftritt, ist dieses bei der Lernstrategie inhärent.
Empirische Belege
Der Effekt der Zielfreiheit gilt in der Literatur als gut belegt (z.B. Ayres, 1993; Ayres und Sweller, 1990; Burns und Vollmeyer, 2002; Geddes und Stevenson, 1997; Owen und Sweller, 1985; Paas, Camp und Rikers, 2001; Sweller, 1988; Sweller und Levine, 1982; Vollmeyer, Burns und Holyoak, 1996; Wirth et al., 2009).
Kritik
Trotz der vielfachen empirischen Bestätigung des Effekts der Zielfreiheit widerspricht dieser den Befunden zur Zielsetzungstheorie von Locke und Latham (1990) gänzlich (vgl. Kleinbeck, 1996; Nerdinger, 1995). Nach dieser führt das Setzen von Zielen zu besseren Leistungen; dies umso stärker, je höher und spezifischer die Ziele sind. Dafür müssen die Ziele vom Lernenden allerdings akzeptiert werden (z.B. Semmer und Udris, 2004). Der offensichtliche Widerspruch zu den Vorhersagen der CLT liegt vermutlich darin begründet, dass sich die beiden Theorien auf unterschiedliche Prozesse beziehen. Während die Zielsetzungstheorie motivationale Faktoren behandelt (vgl. in diesem Zusammenhang auch Hidi und Harackiewicz, 2000), werden in der Cognitive Load Theorie kognitive Prozesse innerhalb des Arbeitsgedächtnisses erörtert.