Berücksichtigung von Lernereigenschaften
Verbalisierer versus Visualisierer
Das Konstrukt "Verbalisierer versus Visualisierer" stellt eine weitere Variable dar, die den Zusammenhang zwischen der Gestaltung von Lernmaterialien und dem Lernerfolg moderieren könnte. Hierbei werden Lernende anhand ihres kognitiven Stils unterteilt (z.B. Ghinea und Chen, 2008):
Definitionen: Verbalisierer und Visualisierer
- Verbalisierer: Verbalisierer präferieren Texte bei der Informationsverarbeitung. Sie finden es am einfachsten, sich durch Reden und Zuhören Wissen anzueignen.
- Visualisierer: Visualisierer erzielen bessere Lernleistungen, wenn Texte mit bildhaftem Material angereichert werden wie etwa Fotos, Diagramme, Schaubilder oder andere graphische Darstellungen. Sie bevorzugen es, Informationen sehend zu verarbeiten und präferieren dabei eine Kombination aus verbalen und visuellen Darstellungen im Gegensatz zu rein verbalen Formen.
Erklärungsansatz
Begründet wird diese Unterteilung unter anderem mit Paivios Dualer Kodierungstheorie (1986), die eine Zweiteilung des Informationsverarbeitungssystems annimmt. Ein System sei für verbal dargebotene Informationen zuständig, ein anderes für bildhaft präsentierte Informationen. Verbalisierer würden folglich primär das verbale System, Visualisierer verstärkt das "imaginale" System nutzen.
Kritik
Weidenmann (2001) weist darauf hin, dass in der Forschung zu diesem kognitiven Stil Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung häufig konfundiert seien. Darüber hinaus könnte man den Präsentationsmodus, d.h. die Art der Informationsdarbietung, als weitere konfundierte Variable betrachten (vgl. Präsentationsmodus und sensorische Modalität). Zudem finden sich nur wenige Arbeiten (z.B. Homer, Plass und Blake, 2008), in denen ein moderierender Einfluss dieses Lernstils auf die Auswirkungen der Gestaltung von Lernmaterialien festgestellt werden konnte. Laut Weidenmann (2001) rechtfertige die empirische Befundlage eine Unterteilung in Verbalisierer und Visualisierer insgesamt nicht (siehe auch Veronikas und Shaughnessy, 2005).
Geschlecht
Eine weitere Moderatorvariable stellt das Geschlecht des Lernenden dar. Innerhalb der Psychologie kann man verschiedene psychische Geschlechtsunterschiede nachweisen, obgleich diese im Alltag aufgrund von Geschlechtsstereotypen zumeist stark überschätzt werden (Asendorpf, 2007). Finden sich in (E-Learning) Studien geschlechtsspezifische Differenzen (Rey, 2008a), stellt sich zumeist die Frage, welche Ursachen diese Unterschiede haben könnten. Allgemeine kognitive Geschlechtsunterschiede (z.B. unterschiedliche mathematische Fähigkeiten) können dabei zumeist ausgeschlossen werden, da derartige Unterschiede oft nur sehr schwach ausgeprägt sind (Asendorpf, 2007).
Mentale Rotationsfähigkeit
Eine Ausnahme bilden räumliche Fähigkeiten. Insbesondere für die mentale Rotation konnten Linn und Petersen (1985) sowie Masters und Sanders (1993) in Metaanalysen beachtliche Leistungsvorteile von Männern im Vergleich zu Frauen nachweisen. Gleichwohl existieren zur mentalen Rotationsfähigkeit auch konträre Befunde. Beispielsweise fanden Krüger und Krist (2007) in einer Studie, dass Jungen wesentlich schlechter als Mädchen bei mentalen Rotationsaufgaben abschneiden.
Computererfahrung
Neben kognitiven Unterschieden wie der Fähigkeit zur mentalen Rotation kann unterschiedliche Computerexpertise ebenso geschlechtsspezifische Differenzen beim Lernen mit elektronischen Medien verursachen. Empirische Studien (z.B. Eysenbach, 1995; Imhof, Vollmeyer und Beierlein, 2007; Wittmann, Süß und Oberauer, 1996) deuten auf durchschnittlich größere Computerkenntnisse bei Männern als bei Frauen hin. In einer Metaanalyse von Whitley (1997) können eine intensivere Nutzung und eine höhere Vorerfahrung mit Computern für Männer im Vergleich zu Frauen festgestellt werden. Die dort gefundenen Differenzen sind statistisch signifikant, jedoch ist die Effektgröße nach den Konventionen von Cohen (1988) lediglich als klein bis mittel einzustufen. Das bedeutet, dass die praktische Bedeutsamkeit der gefundenen Unterschiede nur gering bis moderat ausfällt. Herget und Bögeholz (2005) weisen in ihrer Überblicksarbeit darauf hin, dass Jungen im Vergleich zu Mädchen positivere Gefühle bezüglich der Computernutzung äußern, weniger ängstlich sind und sich zudem für kompetenter im Computerumgang halten. Jungen erkunden darüber hinaus Computerprogramme selbstständiger, während Mädchen eher eine angeleitete Herangehensweise wählen. Auch hier sind die Effektstärken jedoch lediglich klein bis moderat (Herget und Bögeholz, 2005). Im Gegensatz zu diesen Befunden konnte in der Arbeit von Imhof, Vollmeyer und Beierlein (2007) kein statistisch bedeutsamer Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Studierenden im Hinblick auf das Selbstvertrauen beim Umgang mit Computern festgestellt werden. In einer Fragebogenuntersuchung bei Lehrern zur Einstellung gegenüber Lernen mit Multimedia konnte ebenfalls kein Geschlechtsunterschied festgestellt werden (Antonietti und Giorgetti, 2006).