Kognitive Theorie multimedialen Lernens
Grundannahmen
Die CTML beinhaltet drei zugrunde liegende Annahmen über die menschliche Informationsverarbeitung.
Zwei Kanäle im Informations-verarbeitungssystem
Die erste Annahme der CTML betrifft die Verarbeitung von Informationen mittels zweier verschiedener Kanäle. Ein Kanal steht für visuell/bildhaft präsentiertes Informationsmaterial zur Verfügung, der andere für auditiv/verbale Materialien (Robinson, 2004). Mit dieser Zweiteilung der Informationsverarbeitung greift die CTML unmittelbar auf die Duale Kodierungstheorie von Paivio (z.B. Clark, J. M. und Paivio, 1991; Paivio, 1986) und eine frühere Version des Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (z.B. Baddeley, 1992; Baddeley und Hitch, 1974) zurück. Auch die Unterteilung von Schnotz (2005) in deskriptive und depiktionale Repräsentationen entspricht in etwa dieser Differenzierung, wobei die Zweiteilung bei Schnotz wesentlich detaillierter erörtert wird.
Präsentationsmodus versus sensorische Modalität
Zur näheren Konzeptualisierung der zwei Kanäle kann man eine Unterscheidung zwischen dem Präsentationsmodus und der sensorischen Modalität vornehmen (Mayer, 2005a):
- Präsentationsmodus: Der Präsentationsmodus bezieht sich auf die Lernmaterialien, die verbal (z.B. gesprochene oder gedruckte Sätze) oder nonverbal (z.B. Bilder, Animationen oder Hintergrundmusik) dargeboten werden können. Diese Konzeptualisierung entspricht im Wesentlichen der Zweiteilung von Paivio (1986).
- Sensorische Modalität: Im Unterschied dazu betrifft die sensorische Modalität die Frage, wie die präsentierten Lernmaterialien durch den Lernenden aufgenommen und im Arbeitsgedächtnis repräsentiert werden. Dabei sind vornehmlich das visuelle (z.B. für Bilder, Animationen oder gedruckte Wörter) und auditive System (z.B. für gesprochene Wörter oder Hintergrundmusik) zu nennen. Diese Zweiteilung liegt dem Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (1992) zugrunde.
In der CTML wird auf eine Entscheidung zugunsten einer der beiden skizzierten Konzeptualisierungsmöglichkeiten der zwei Kanäle verzichtet. Zu beachten ist außerdem, dass Lernende die Möglichkeit besitzen, die in einem Kanal generierte Repräsentation zur Weiterverarbeitung in den jeweils anderen Kanal zu konvertieren. So kann eine gesprochen dargebotene Beschreibung eines Sachverhaltes vom Lernenden in ein mentales Bild transformiert werden (Mayer, 2005a). Ziel bei der Gestaltung von Lernmaterialien ist es, nach Möglichkeit beide Kanäle bei der Verarbeitung von Informationen zu aktivieren.
Begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses
Die zweite Annahme der CTML bezieht sich auf die begrenzte Kapazität an Informationen, die in jedem Kanal des Arbeitsgedächtnisses verarbeitet werden können (Muthukumar, 2005). Diese These deckt sich mit dem Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (1992) und der Cognitive Load Theorie. Im Gegensatz zur CLT wird in der CTML keine konkrete Annahme darüber getroffen, wie viele Informationseinheiten simultan bearbeitet werden können. Durch den Bezug zu Miller (1956) kann jedoch von einer Größenordnung von sieben Einheiten ausgegangen werden.
Die Zuweisung, Überwachung, Koordinierung und Adjustierung der begrenzten kognitiven Ressourcen werden in der CTML zu Monitorstrategien subsumiert (Mayer, 2005a). Diese Strategien lassen sich sehr gut mit der zentralen Exekutive von Baddeley (1992) oder modernen Intelligenztheorien (z.B. Sternberg, 1990) in Verbindung bringen. Als Implikation dieser zweiten Annahme der CTML für die Gestaltung von multimedialen Lernumgebungen lässt sich festhalten, dass Lernende nicht durch zu viele Informationseinheiten kognitiv überlastet werden dürfen.
Aktive Informationsverarbeitung
Die dritte Annahme der CTML erörtert die aktive menschliche Informationsverarbeitung. Es wird davon ausgegangen, dass Lernende sich aktiv mit dem Lernmaterial beschäftigen, um eine kohärente (hier: zusammenhängende und in sich schlüssige) mentale Repräsentation ihrer vorhandenen Erfahrungen konstruieren zu können (Mayer, 2005a). Die Annahme der aktiven Wissenskonstruktion findet sich innerhalb der Psychologie auch bei diversen anderen Forschern wieder (z.B. Ausubel, 1968; Bruner, 1961; James, 1890/1950; Neisser, 1967; Wittrock, 1989).
Wissensstrukturen
Um zu einem mentalen Modell zu gelangen, bedarf es des Aufbaus diverser Strategien, Wissen zu strukturieren. Diese haben verschiedene Strukturen zum Inhalt:
- Verarbeitungsstrukturen: Diese Strukturen können beispielsweise Kausalketten mit entsprechenden Erläuterungen der einzelnen Ursache-Wirkungs-Elemente umfassen.
- Vergleichsstrukturen: Sie lassen sich als Matrizen darstellen, die den Vergleich zweier oder mehrerer Elemente anhand mehrerer Dimensionen ermöglichen.
- Generalisierungsstrukturen: Diese repräsentieren als eine Art Baumstruktur den Kerngedanken mit seinen untergeordneten ergänzenden Details.
- Aufzählungsstrukturen: Sie betreffen eine Liste, die aus einer Zusammenstellung von Einzelelementen besteht.
- Klassifikationsstrukturen: Diese Strukturen sind hierarchisch angeordnet und umfassen Gruppen und Untergruppen.
Definition: Verständnis
Verständnis wird in diesem Zusammenhang als Konstruktion einer dieser Wissensstrukturen definiert (2005a). Die nach der CTML benötigten Prozesse zur Etablierung dieser Wissensstrukturen werden eingehend aufgeführt. Zur Verständnissteigerung sollte bei der Gestaltung von Lernmaterialien darauf geachtet werden, dass das präsentierte Material eine kohärente Struktur aufweist und die multimediale Botschaft eine Anleitung zum Aufbau der oben skizzierten Wissensstrukturen bereithält.