E-Learning und Multimedia
Interaktivität
Definition: Interaktivität
Wie viele andere Begriffe wird auch Interaktivität in der Literatur zum multimedialen Lernen unterschiedlich definiert. Als interaktiv werden Lernmaterialien nachfolgend dann bezeichnet, wenn sie dem Lernenden verschiedene Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten erlauben (Schaumburg und Issing, 2004). Die zuvor aufgeführte Computersimulation (siehe Abbildung 4) stellt ein Beispiel einer interaktiven Lernumgebung dar. Auch einfache Formen der Interaktivität wie beispielsweise das Vor- und Zurückspulen eines DVD-Players oder die Veränderung der Lautstärke werden in diesem Zusammenhang genannt (Bétrancourt, 2005). Allerdings blenden einige Forscher derartige Steuermöglichkeiten bewusst aus dem Begriff Interaktivität aus und subsumieren sie unter dem Begriff Benutzerkontrolle (Bétrancourt, 2005).
- Video 3: Beispiel eines interaktiven Tisches.
Taxonomie der Interaktivität
In der Literatur zur Visualisierung von Algorithmen, einem Teilbereich der Softwarevisualisierung in der Informatik, wurde eine Taxonomie der Interaktivität postuliert, die im Englischen auch als engagement taxonomy bezeichnet wird. Diese enthält nach Grissom, McNally und Naps (2003) sechs Hierarchiestufen:
- Keine Interaktivität: Von der ersten Stufe der Interaktivität spricht man, wenn für den Benutzer der zu lernende Algorithmus in keiner Weise visualisiert wird. Ein Algorithmus stellt ein Rechenverfahren dar, bei dem vorab festgelegte (Berechnungs-)Schritte durchlaufen werden.
- Einfache Kontrolltasten: Die zweite Stufe beschreibt das passive Betrachten und Steuern der Geschwindigkeit der Animation mittels Kontrolltasten. Film- und Videosequenzen weisen zum Beispiel diesen geringen Grad an Interaktivität auf, da sie zumeist nicht viel mehr als das Starten, Anhalten, Vor- und Zurückspulen beinhalten. Mayer und Chandler (2001) sprechen auch von einfachen Benutzerinteraktionen, wenn der Lernende das Tempo der multimedialen Präsentation selbst bestimmen kann (z.B. mit Hilfe einer "Weiter-Taste").
- Fragen werden gestellt: Auf der dritten Hierarchiestufe werden dem Benutzer Fragen zu den gezeigten Inhalten gestellt, die dieser beantworten soll. Solche Fragen beziehen sich beispielsweise auf Vorhersagen über den weiteren Verlauf der Animation. Bei der Darstellung der Taxonomie wird nicht weiter erörtert, ob dem Benutzer im Anschluss an die Beantwortung ein Feedback präsentiert wird (z.B. Grissom et al., 2003).
- Veränderung der Inhalte oder Eingangsdaten: Die vierte Stufe ist durch das Modifizieren der Inhalte oder Eingangsdaten zum Experimentieren oder Erzielen eines bestimmten Ergebnisses gekennzeichnet (Rößling, 2004). Zahlreiche Computerspiele stellen ein Beispiel dieser Hierarchiestufe dar. Andere Autoren wie Bétrancourt (2005) sprechen bei Animationen, die in der oben dargestellten Art und Weise interaktiv sind, von Simulationen, während interaktive Animationen Bétrancourt zufolge nur die zweite Stufe der Interaktivität aufweisen dürfen.
- Erstellung eigener Visualisierungen: Auf der fünften Hierarchiestufe erstellt der Lernende eigene Visualisierungen. In der Regel wird diese Stufe der Interaktivität im universitären Kontext nur selten erreicht, da interaktive Animationen vornehmlich von Designern von Lernprogrammen oder Dozenten konstruiert werden.
- Präsentation einschließlich Feedback und Diskussion: Die letzte Hierarchiestufe bezieht sich auf die Präsentation der zuvor entwickelten Animationen, wobei die Darbietung für die jeweiligen Adressaten auch ein Feedback und eine anschließende Diskussion umfasst (Grissom et al., 2003). Ob die präsentierte Animation zuvor eigenständig konstruiert wurde, ist für die letzte Hierarchiestufe nicht von Bedeutung (Rößling, 2004).
Kritik an der Taxonomie
Die skizzierte Taxonomie kann wegen ihrer zahlreich enthaltenen Konfundierungen kritisiert werden. So unterscheidet sich die erste Stufe von den nachfolgenden hinsichtlich ihrer Codierungsform. Die dritte Stufe enthält im Vergleich zu den anderen Stufen Anregungen an den Benutzer, Vorhersagen über die weitere Entwicklung der Animation zu treffen. Lediglich die letzte Stufe sieht explizit ein bewertendes Feedback für den Lernenden vor. Zudem ist fraglich, inwieweit die Taxonomie auf andere Lerninhalte als die Informatik sinnvoll anzuwenden ist. Die postulierte engagement taxonomy hat sich außerdem noch nicht in der psychologischen E-Learning Literatur etablieren können.