Einleitung
Konstruktivismus
Definition: Konstruktivismus
- Video 5: Kurze Darstellung des Konstruktivismus von John Abbott.
Der Begriff Konstruktivismus wird im E-Learning Kontext von verschiedenen Forschern unterschiedlich definiert. Im Folgenden soll darunter ein Lernansatz verstanden werden, der Lernende als selbstverantwortliche, aktive Personen im Hinblick auf ihren Wissenserwerbsprozess begreift (Loyens und Gijbels, 2008). Konstruktivistische Lernumgebungen beinhalten mehrere Merkmale, die den Lernprozess unterstützen sollen (Loyens und Gijbels, 2008):
Merkmale konstruktivistischer Lernumgebungen
- Wissenskonstruktion: Konstruktivistische Lerntheorien betonen die aktive Konstruktion von Wissen. Konkret bedeutet dies: Lernende interpretieren und transformieren neue Informationen auf Basis bereits erworbenen Wissens, welches von den Lernenden aktiv abgerufen wird.
- Kooperatives Lernen: Eine weitere wichtige Grundannahme bezieht sich auf das gemeinschaftliche (kollaborative) Lernen mit anderen Lernern, Lehrern und weiteren Personen, durch welches die Wissenskonstruktion unterstützt werden soll (vgl. Schaumburg und Issing, 2004). Besonders beim Lernen mit anderen Lernenden nimmt man die Lernförderlichkeit aufgrund ähnlicher Verständnisniveaus an.
- Selbstregulation: Unter Selbstregulation werden eine Reihe von Teilaspekten subsumiert. Beispielsweise fallen hierunter die metakognitiven Fähigkeiten wie das Setzen von (Lern-)Zielen, aber auch Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung während des Wissenserwerbs (vgl. auch Narciss, Proske und Koerndle, 2007).
- Authentische Lernsituation: Im Kontext konstruktivistischer Lerntheorien sollten Lernsituationen vorzugsweise praxisbezogen bzw. authentisch sein. Hierzu können Lernende mit komplexen, schlecht strukturierten Problemen konfrontiert werden ähnlich den Problemsituationen, die sie auf ihrer zukünftigen Arbeitsstelle antreffen. Vielschichtige Probleme zeichnen sich durch zahlreiche interagierende Elemente und der Möglichkeit multipler Lösungsansätze aus. Im Zusammenhang solcher Problemsituationen wird auch häufig vom entdeckenden Lernen (discovery learning) gesprochen.
Konstruktivistische Lerntheorien werden vor allem in der populärwissenschaftlichen Literatur vehement vertreten (vgl. z.B. Kirschner, P. A., Sweller und Clark, 2006), wenngleich dort in aller Regel nur sehr vage Definitionen existieren. Auch in wissenschaftlichen Fachartikeln ist eine klare Begriffsbestimmung nur selten aufzufinden (Loyens und Gijbels, 2008).
Kritik und Gegenkritik
Im Gegensatz zur populärwissenschaftlichen Literatur stehen konstruktivistische Lerntheorien in wissenschaftlichen Fachzeitschriften zum Teil stark in der Kritik, da die stützenden empirischen Belege relativ dürftig erscheinen. Vor allem überfordere (ausschließlich) entdeckendes Lernen in komplexen Lernumgebungen viele Personen, während angeleitetes Lernen (guided learning) sich in zahlreichen Untersuchungen als lernwirksamer erwiesen habe (Kirschner, P. A. et al., 2006; Mayer, 2004). Als Gegenargument führen Befürworter dieser Lerntheorien auf, dass bisherige Studien einzig kognitive Auswirkungen betrachten würden und häufig nur einfache Lernleistungsmessungen vornähmen (Loyens und Gijbels, 2008). Andere Faktoren wie soziale, motivationale und emotionale Auswirkungen blieben hingegen unberücksichtigt. Allerdings müssen diese Faktoren in Lernumgebungen mit freien Explorationsmöglichkeiten nicht zwangsläufig besser ausfallen als in "Guided"-Lernumgebungen (z.B. Winberg und Hedman, 2008).