Adaptive Lernumgebungen
Phasen adaptiver Lernumgebungen
Mindestens zwei Phasen adaptiver Lernumgebungen
In adaptiven Lernumgebungen lassen sich mehrere Phasen voneinander unterscheiden:
- Anfängliche Einstufung: In einem ersten Schritt erfolgt zumeist eine initiale Einstufung des Lernenden im Hinblick auf das anzupassende Kriterium. Beispielsweise kann in einem kurzen Wissenstest die Expertise des Lernenden ermittelt werden (Kalyuga, 2006). Ebenso ist die Erfassung stabilerer Merkmale wie Lernstile, Lernergewohnheiten, Attributionsstile (individuelle Unterschiede in der Art und Weise, Ereignisse auf bestimmte Ursachen zurückzuführen), Alter oder Geschlecht denkbar (z.B. Kabassi und Virvou, 2006; Oblinger, 2004; Van Gerven, Paas und Tabbers, 2006). Derartige Faktoren finden im Vergleich zum Vorwissen allerdings nur selten Berücksichtigung (Kickmeier-Rust, Dietrich und Roth, 2007; Wittwer und Renkl, 2008). Die Beachtung mehrerer Lernermerkmale ist ebenso möglich (z.B. Kabassi und Virvou, 2006).
- Präsentation und Modifikation des Lernmaterials anhand weiterer Messungen: Auf Basis der anfänglichen Einschätzung wird in einem zweiten Schritt zumeist das Lernmaterial präsentiert. Während dieser Darbietung erfasst man das Verhalten des Benutzers fortlaufend oder intermittierend (mit Unterbrechungen) durch den Computer. So kann beispielsweise der Navigationsstil protokolliert (vgl. Puntambekar und Stylianou, 2005), die kognitive Belastung des Lernenden via Selbsteinschätzung (Kalyuga und Sweller, 2005; Van Gog und Paas, 2008) oder aber die Entwicklung im Lernprozess mittels zwischenzeitlicher Wissenstests bewertet werden (Kalyuga, 2006). Auch die Lernstrategie und andere metakognitiven Fähigkeiten kann man als Informationen heranziehen (Schwonke, Hauser, Nückles und Renkl, 2006). Ebenso können physiologische Kennwerte sowie Gestik und Mimik erfasst und analysiert werden (Sarrafzadeh, Alexander, Dadgostar, Fan und Bigdeli, 2008). In Abhängigkeit dieser Messungen wird das Lernmaterial unmittelbar modifiziert und auf die individuellen Kompetenzen, Bedürfnisse und Präferenzen der Lernenden abgestimmt.
Umsetzung der Adaptivität
Unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten
Die Veränderung des Lernmaterials auf Basis der Messergebnisse kann sehr unterschiedlich umgesetzt werden (vgl. z.B. Ahmad, Basir und Hassanein, 2004). Häufig gelangen einfache Verzweigungsbäume und relativ simple statistische Verfahren zum Einsatz (vgl. Kalyuga, 2007b; Shute und Towle, 2003). Aufwendigere Verfahren wie beispielsweise die Auswahl des Lernmaterials mit Hilfe der Item Response Theorie (Chen, C.-M., Lee und Chen, 2005) oder künstlicher Intelligenz, wie neuronaler Netze (Brusilovsky, Chavan und Farzan, 2004; Esposito, Licchelli und Semeraro, 2004) wurde bisher nur selten vorgenommen. Dabei verspricht man sich vom Einbezug künstlicher Intelligenz eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der Lernwirksamkeit adaptiver Lernumgebungen (z.B. Kalyuga, 2007b). Messung des Lernerverhaltens und Modifikation des zu erlernenden Materials durch den Computer können prinzipiell auch durch einen Menschen vorgenommen werden (z.B. Hadwin, Wozney und Pontin, 2005; Lajoie, 2005). Unterstützungsmaßnamen für den Lernenden durch einen menschlichen Tutor als adaptive human scaffolding bezeichnet (z.B. Azevedo, Cromley, Winters, Moos und Greene, 2005) können ebenfalls in E-Learning Umgebungen genutzt werden (z.B. Azevedo, Moos, Greene, Winters und Cromley, 2008; Shapiro, 2008).