Digitale Lernspiele
Videospielabhängigkeit
Im Zusammenhang mit Computerspielen wird häufig auf das Suchtpotential der Spiele und die dadurch entstehenden persönlichen und gesellschaftlichen Folgen verwiesen. So wird das Online-Rollenspiel World of Warcraft beispielsweise sogar als das Kokain der Computerspielewelt bezeichnet und Einzelfälle aufgeführt, in denen Personen nach mehrtägigem Spiel aufgrund mangelnder Ernährung und Schlafentzug kollabieren (z.B. heise, 2009).
Überblick
Anstelle derartige aufsehenerregende Fälle näher zu betrachten wird auf diesen Webseiten nach einer kurzen Erörterung der Begriffe Sucht und Abhängigkeit auf die Prävalenzen und Symptome pathologischen Videospielgebrauchs eingegangen.
Sucht und Abhängigkeit
Hinsichtlich des pathologischen Videospielgebrauchs auch als Videospielabhängigkeit oder -sucht bezeichnet greifen Forscher (z.B. Charlton und Danforth, 2007; Gentile, 2009) unter anderem sechs Kriterien auf, die von Brown (1991, 1993) aufgestellt wurden:
- Salienz: Computerspiele dominieren das Leben des Betroffenen (kognitiv oder auf Verhaltensebene).
- Euphorie: Das Spiel führt bei der Person zu einem Hochgefühl oder zur Befreiung von unangenehmen Gefühlen.
- Toleranz: Es muss mit der Zeit mehr gespielt werden, um das gleiche Hochgefühl zu erzielen.
- Entzugserscheinungen: Sofern nicht gespielt wird, führt dies bei der Person zu unangenehmen Emotionen oder körperlichen Entzugssymptomen.
- Konflikte: Das Spielen führt zu inneren Konflikten oder Konflikten mit Mitmenschen.
- Rückfall und Wiederaufnahme: Der Betroffene spielt das Spiel weiter, obwohl er versucht, dem Spiel abstinent zu bleiben.
Nach dem ursprünglichen Ansatz müssen alle Kriterien vorliegen, damit von Videospielabhängigkeit gesprochen werden kann.
Prävalenz
Bezüglich der Prävalenz (Anteil der betroffenen Personen in der Population) pathologischen Videospielgebrauchs gehen die berichteten Kennwerte in der Literatur weit auseinander. Beispielsweise schätzt Gentile (2009) die Prävalenzrate auf Basis einer nationalen Studie mit 1178 amerikanischen Bürgern zwischen 8 und 18 Jahren auf 8.5% für diese Teilpopulation. Je nach Auswertungsverfahren schwankt dieser Wert jedoch zwischen 7.9% und 19.8%. Auch in der Arbeit von Charlton und Danforth (2007) findet sich eine hohe Bandbreite an Prävalenzraten. Je nach angelegten Klassifikationskriterien liegt der Prozentwert zwischen 1.8% und 38.7%. Nach einer Studie von Cypra (2005) zu Online-Rollenspielen im deutschsprachigen Raum wurden hingegen 5% der Spieler als süchtig klassifiziert. Cypra (2005) verweist auf andere Arbeiten zum Thema Internetsucht (vgl. auch Douglas et al., 2008; Yellowlees und Marks, 2007), nach denen je nach Studie zwischen 2.3% und etwa 80% (!) der Befragten als internetsüchtig eingestuft wurden. Zusammenfassend kann man bezüglich der Prävalenzraten festhalten, dass diese in Abhängigkeit der untersuchten Stichprobe und dem angelegten Klassifikationssystem stark schwanken und bisher noch unklar ist, nach welchen Kriterien man pathologischen Videospielgebrauchs genau definieren soll (z.B. Charlton und Danforth, 2007).
Symptome
Ein wichtiger jedoch nicht der einzige Hinweis auf eine Abhängigkeit stellt die Zeit dar, die Benutzer mit dem Computerspiel bzw. dem Internet verbringen. Nach einer Studie von Griffiths, Davies und Chappell (2003) wendeten 24% der Spieler wöchentlich mehr als 41 Stunden für das Online-Rollenspiel Everquest auf. In der Untersuchung von Charlton und Danforth (2007) zum Online-Spiel Asheron's Call kamen die als abhängig klassifizierten Personen auf eine Spielzeit von 31.9 Stunden pro Woche, während die durchschnittliche Verweildauer aller Befragten 18.6 Stunden betrug (durchschnittlich 13.2 Stunden wöchentlich nach der Untersuchung von Gentile, 2009). Nach der deutschsprachigen Studie von Cypra (2005) investierte ein Online-Rollenspieler mehr als 3.5 Stunden pro Tag, wobei ca. 5% der Benutzer mehr als 8.5 Stunden täglich mit dem Rollenspiel verbrachten (Cypra, 2005).
Neben dem teilweise immensen Zeitaufwand werden weitere Symptome beim pathologischen Gebrauch von Videospielen aufgeführt, die zum Teil mit der investierten Zeit für das Spiel zusammenhängen. So unterschätzten beispielsweise als computerspielabhängig klassifizierte Probanden in einem Experiment zur Zeitwahrnehmung ein 24-minütiges Zeitintervall, welches sie mit einem Videospiel verbrachten, in stärkerem Maße als Spieler, die als nicht abhängig klassifiziert wurden. In anderen Zeiteinschätzungen, die nicht mit Videospielen assoziiert waren, zeigte sich hingegen kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (Tobin und Grondin, 2009). Zudem vernachlässigen einige als abhängig eingestufte Online-Rollenspieler ihren Haushalt sowie ihre Hausaufgaben. Sie berichten über schlechtere Schulleistungen und geben an, durch das Spielen Problemen zu entfliehen (Gentile, 2009). Tatsächlich finden sich für diese Personengruppe niedrigere Schulleistungen sowie eine mehr als zweimal so hohe Wahrscheinlichkeit einer diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörung (Gentile, 2009). Zu beachten ist dabei, dass es sich um korrelative und nicht um kausale Zusammenhänge (Videospielabhängigkeit ist Ursache der Aufmerksamkeitsstörung) handelt.
Fazit
Trotz der derzeitigen Unklarheit, wie viele Personen von Videospielen und/oder vom Gebrauch des Internets abhängig sind, weisen die aufgeführten Studien darauf hin, dass es sich um ein gesellschaftlich wichtiges Thema handelt (vgl. Gentile, 2009). Dieses wird in den kommenden Jahren vermutlich noch an Bedeutung gewinnen.