Cognitive Load Theorie
Fazit
Die Cognitive Load Theorie vertritt mit ihren Gestaltungsempfehlungen in vielerlei Hinsicht einen "Less is more"-Ansatz (vgl. Dwyer, 1972). Dieser "Weniger ist mehr"-Gedanke bezieht sich auf die Gestaltung von Lernmaterialien, bei der eine extrinsische kognitive Belastung vermieden werden sollte. Stattdessen wird die Konstruktion und Automatisierung von Schemata und damit die Erhöhung des germane CL in den Vordergrund gestellt. Zudem präferiert die CLT ein relativ direktives Vorgehen bei der Vermittlung von Wissen. Dies steht Konzepten wie dem entdeckenden Lernen oder der erfahrungsorientierten Erziehung (experiential education, z.B. Dewey, 1938; Kraft und Sakofs, 1989) unmittelbar entgegen.
Kritik
Sowohl der "Less is more"-Ansatz als auch das relativ direktive Vorgehen bei der Wissensvermittlung liefern Anlass zur Kritik, da derartig ausgearbeitete Lernmaterialien hinsichtlich motivationaler und emotionaler Prozesse möglicherweise unzureichend gestaltet sind und hierdurch die Lernleistung beeinträchtigt werden könnte (vgl. Brünken et al., 2004). Forschungsarbeiten zu diesen Prozessen (z.B. Hidi und Harackiewicz, 2000; Hidi und Renninger, 2006) werden in der CLT nicht aufgegriffen. Zudem basiert die CLT auf älteren empirischen Befunden (z.B. Peterson und Peterson, 1959) und kognitiven Theorien, wie Baddeleys älteres Arbeitsgedächtnismodell (Baddeley und Hitch, 1974), obgleich neuere Befunde und Modelle aus der kognitiven Psychologie (z.B. Baddeley, 2000) oder Forschung zur künstlichen Intelligenz (z.B. Hawkins, 2006) zur Verfügung stehen. Auch die fehlende Möglichkeit, die verschiedenen Arten der kognitiven Belastung getrennt voneinander zu messen, kann bemängelt werden. Zudem werden von Vertretern der CLT zum Teil fragwürdige Aussagen zum menschlichen Informationsverarbeitungssystem getroffen. Beispielsweise behauptet Sweller, dass das Arbeitsgedächtnis der Sitz des Bewusstseins sei und mit diesem gleichgesetzt werden könne (Sweller, 2004). Forscher, die sich intensiv mit dem Gegenstand Bewusstsein befassen, vertreten Auffassungen, die sich deutlich von dieser Behauptung unterscheiden (z.B. Blackmore, 2006).
Würdigung
Trotz dieser Kritikpunkte kann die Cognitive Load Theorie als theoretisch elaboriert bewertet werden. Sie trifft zahlreiche contraintuitive Prognosen zum Lernen in multimedialen Lernumgebungen und kann verschiedene differentielle Effekte zwischen Experten und Novizen vorhersagen und theoretisch erklären. Die postulierten Gestaltungsempfehlungen sind durch zahlreiche empirische Befunde abgesichert, wobei sich einzelne abgeleitete Hypothesen aber nicht immer bestätigt haben. Die Konstruktion und Automatisierung von Schemata in der CLT lässt sich zudem gut mit neurowissenschaftlichen Befunden in Verbindung bringen (vgl. z.B. Hawkins, 2006; Spitzer, 2007). Ähnlich verhält es sich mit neueren Ansätzen innerhalb der CLT, in denen ein Arbeitsgedächtnis für Bewegungen postuliert und in Bezug zu Spiegelneuronen gesetzt wird. Des Weiteren wurde von Sawicka (2008) ein mathematisches, dynamisches Modell konzipiert, welches die CLT repräsentieren soll und verschiedene empirische Befunde zu dieser Theorie abbilden kann. Zudem können mit Hilfe dieser komplexen Computersimulation neue Hypothesen zur CLT generiert und empirisch überprüft werden. Auch der Einsatz als Analysewerkzeug bei der Erstellung und Verbesserung von Lernmaterialien ist denkbar (Sawicka, 2008).